Es ist eine über Grenzen hinweg reichende Freundschaft, die schon seit fünf Jahrzehnten andauert: Die Partnerschaft zwischen Nentershausen und Vieux-Berquin in Frankreich. Das runde Jubiläum nutzen beide Gemeinden am Wochenende nach Christi Himmelfahrt, um gemeinsam zu feiern - und auch den Blick in eine noch ungewisse Zukunft zu richten.
Auch wenn nicht jeder, der am jährlichen Austausch zwischen der Nentershausen und der mehr als 2600 Einwohner zählenden Gemeinde in Nordfrankreich teilnimmt, der jeweils anderen Sprache mächtig ist, wird schnell klar, dass in einem halben Jahrhundert viele enge Beziehungen zwischen Deutschen und Franzosen gewachsen sind. Da ist man noch nicht richtig aus dem Bus ausgestiegen, wird sich schon geherzt, mit Händen und Füßen kommuniziert und herzhaft gelacht.
„In den letzten 50 Jahren haben unseren beiden Dörfer viel Schönes gemeinsam erlebt. Es ist uns gelungen, die Vorurteile zu überwinden und sich näher kennenzulernen. Dazu ist eine tiefe Freundschaft entstanden, die durch vielen schönen Momente Spuren hinterlassen hat“, fasste Arlette Flammey, die Präsidentin des Partnerschaftsvereins in Vieux-Berquin, diesen Fakt zusammen. Die Partnerschaft zwischen beiden Gemeinden sei ein Vorbild für Frieden und Versöhnung, so die Französin während der offiziellen Feierlichkeiten zum Jubiläum.
Werner Reusch, der auf Nentershäuser Seite der Partnerschaft vorsteht, nutzte die Begegnung dazu, sich der Ursprünge zu erinnern, die bis die 1960er-Jahre zurückreichen, ehe am 11. Oktober 1975 dann offizielle eine Partnerschaft zwischen beiden Gemeinden in der alten Turnhalle in Nentershausen, dem heutigen Bürgerhaus, beurkundet wurde. „Ein Dankeschön geht an die Gründer der Partnerschaft, die sie 1975 ins Leben gerufen haben. Deshalb können wir heute mit großer Freude dieses 50-jährige Jubiläum feiern“, erinnert Werner Reusch unter anderem an den im Mai 2000 verstorbenen Pfarrer Franz Kißel, seinen französischen Amtskollegen Michael Catteau sowie die beiden Bürgermeister aus der Gründerzeit der Partnerschaft, Helmut Perne und Thérèse Protin.
Doch nicht nur den Gründern sei zu danken, fand Pierre-Louis Ruyant, der amtierende Bürgermeister von Vieux-Berquin. Vielmehr sei allen, die die deutsch-französische Freundschaft zwischen beiden Orten mit Leben gefüllt hätten, zu danken. „Dank ihres Engagements, ihrer Ausdauer und ihrer Fähigkeit, Verbindungen zu knüpfen, ist es ihnen gelungen aus der Partnerschaft ein lebendiges Abenteuer und keine in der Zeit eingefrorene Formalität zu schaffen“, so Ruyant.
Doch werden den fünf Jahrzehnten gelebter Partnerschaft noch weitere folgen? Während auf Nentershäuser Seite für das Jubiläum rund ein Dutzende Erstfahrer jüngeren und mittleren Alters gewonnen werden konnten, die sich von der Fahrt begeistert zeigten, sind auf französischer Seite die Teilnehmer der Partnerschaft ausnahmslos im Rentenalter. Zudem erklärte Präsidentin Arlette Flammey, dass sie ihr Amt abgeben will. Nun laufen die Überlegungen in Vieux-Berquin, wie und ob man die Partnerschaft wieder beleben kann, so dass sie zukünftig fortbesteht. Ein Bestreben, das auch Nentershausens Ortsbürgermeister Tobias Reusch begrüßt: „Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie wir diese Partnerschaften wieder beleben können. Auch wenn die Zeiten sich geändert haben, bleibt die Idee zu einer freundschaftlichen Verbindung zwischen unseren Gemeinden wertvoll. Ich bin überzeugt, dass wir auch Wege finden können, um den Austausch wieder zu fördern und neue Begegnungen zu ermöglichen.“
Wie prägend diese Begegnungen sein können zeigt das Beispiel von Arnaud Flammey, der neben Sandra Franz und Pierre Demersseman am Jubiläumswochende als Übersetzer fungierte. Durch seine Besuche in Nentershausen als junger Erwachsener war er von Deutschland so fasziniert, dass er mittlerweile seit mehreren Jahren in der Nähe von Augsburg lebt und arbeitet. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, zum Partnerschaftsjubiläum in seine Heimatgemeinde Vieux-Berquin zu reisen.
Hier wurde unter Mitwirkung der Musikkapelle „Harmonie Municipale“ Vieux-Berquin, eines zusammengestellten Kinderchores und einer kleinen Abordnung des Männergesangvereins Eintracht Nentershausen ein Gedenkstein enthüllt, auf dem das 50-jährige Partnerschaftsjubiläum verewigt wurde. Zudem wurden zahlreiche Gastgeschenke ausgetauscht. So konnte Tobias Reusch unter anderem eine Vase aus Westerwälder Keramik überreichen, während er im Gegenzug aus den Händen seines französischen Amtskollegen einen gerahmtes Präsent erhielt, in den ein Original-Teil des schmiedeeisernen Rathaustores aus Vieux-Berquin integriert war. Der dreitägige Besuch der Nentershäuser Delegation in Frankreich wurde darüberhinaus von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm abgerundet. So stand gemeinsam mit den Gastgebern aus Vieux-Berquin unter anderem eine Brauereibesichtigung, ein Strandbesuch an der Nordseeküste, eine Ausstellung zur Partnerschaft und ein Gottesdienst an, in dem auch dem im vergangenen Jahr verstorbenen Ex-Partnerschaftspräsidenten Otto Stahlhofen und Josef Wagner gedacht wurde. Im Anschluss hieß es Abschied nehmen - ein Abschied, von dem viele Teilnehmer hoffen, dass es nicht der letzte dieser jahrzehntelangen Partnerschaft sein sollte.
(Fotos und Text: Andreas Egenolf)